Wenn Führungskräfte Fehler machen, dann sollten sie sie nicht versuchen zu verschleiern sondern zu ihnen stehen. Ein solches Verhalten fördert das Vertrauen im Unternehmen und die Mitarbeiterbindung, weiß der Selbstführungs-Experte Richard Gappmayer, der seit seinem Aufstieg auf den Kilimandscharo Führungskräfte coacht und Einblick in die Praxis vieler Unternehmen hat. Nur durch eine Vertrauenskultur entsteht, was Gappmayer eine „widerstandsfähige Führungssituation“ nennt: Eine solche widerstandsfähige Führungssituation zeichnet sich durch Krisenresistenz aus, die letztlich dem Wohl des Unternehmens dient. In Teil 3 der AGITANO-Interviewreihe erklärt Richard Gappmayer, wie Unternehmen eine widerstandsfähige Führungssituation schaffen können.
„Eine widerstandsfähige Führungssituation bringt Unternehmen durch Krisenzeiten“
Sie sprechen in Ihrem Buch „Der Kilimandscharo-Effekt“ von „widerstandsfähigen Führungssituation“. Was verstehen Sie darunter? Und warum ist es so wichtig, eine widerstandsfähige Führungssituation zu erreichen?
Eine widerstandsfähige Führungssituation ist in Unternehmen dann gegeben, wenn sich alle – in guten wie in schlechten Zeiten – vollkommen und ohne Zweifel aufeinander verlassen können. Sehr oft ist es leider so, dass gerade in Krisenzeiten unterschwellige Befindlichkeiten und Anspannungen zwischenmenschlicher wie auch logistischer Natur aufbrechen und zur Zuspitzung eines Konflikts beitragen. Dann tun sich Widerstände auf, die man lösen muss, bevor man das eigentliche Problem angehen kann.
Wenn schon grundlegend eine widerstandsfähige Vertrauenssituation gegeben ist, können Teams externe und neue Konflikte oder Krisen von den Teams sehr viel leichter auffangen und lösen.
Wie entsteht eine solche widerstandsfähige Führungssituation?
Ich denke, dass es insgesamt in der Führung gar nicht so sehr auf die viel bemühte Motivation ankommt, sondern auf den Grad des vorhandenen Vertrauens. Leider erlebe ich in der Praxis immer wieder Situationen, die Vertrauen massiv zerstören. Dabei sollte jede erfolgreiche Führungskraft alles daran setzen, um Vertrauen zu schaffen und alles verhindern, was Vertrauen untergräbt. Das bedeutet, durch entsprechende Handlungen Vertrauensaufbau zu ermöglichen – Nähe zulassen, konsequent handeln, klare Entscheidungen treffen, Controlling als Motivation einsetzen und – besonders wichtig – transparent und ausreichend kommunizieren. Insgesamt gesehen geht es dabei um den Aufbau eines passenden Wertesystems, um aktives Zuhören und das Etablieren einer für alle Beteiligten positiven Machtkompetenz. Es klingt sehr logisch, aber genau daran fehlt es im heutigen Führungsalltag oft. Wenn jedoch genug Vertrauen zwischen allen Beteiligten vorhanden ist, entsteht die so wichtige widerstandsfähige Führungssituation.
Hält eine solche widerstandsfähige Führungssituation auch Führungsfehler aus und federt diese ab?
Ja, das tut sie definitiv. Genau deswegen ist es so wichtig, von vornherein eine widerstandsfähige Führungssituation zu etablieren. Gewisse Führungsfehler sind einfach nicht zu vermeiden. Jeder, der führt, weiß, wie schnell man eine falsche Entscheidung trifft oder entweder zu früh oder zu spät entscheidet.
Sehr oft passieren Führungsfehler auch, ohne dass Führungskräfte sie sofort bemerken. Entscheidend dabei ist, wie Sie als Führungskraft und Ihre Mitarbeiter damit umgehen. Wenn Ihr Team weiß, dass es sich immer dann, wenn es wirklich darauf ankommt, voll und ganz auf Sie und auch auf die Kollegen verlassen kann, dann entsteht genau das gemeinsame Vertrauen, das alle Widerstände besiegt.
Was sind die aus Ihrer Sicht eklatantesten Vertrauens-Killer, die von der Führungsriege oder einer einzelnen Führungskraft eines Unternehmens – oft auch unbewusst – begangen werden?
Ein schweres Führungs-„Verbrechen“ ist für mich auf jeden Fall, etwas anzukündigen, ohne es dann auch zu tun. Ich mag den englischen Ausdruck „walk the talk“ in diesem Zusammenhang sehr. Der sicherste Weg, das Vertrauen von Mitarbeitern zu verlieren, ist es, bereits kommunizierte Dinge ohne weitere Begründungen oder Erklärungen zu unterlassen.
Klar, Situationen können sich immer mal ändern und neue Entscheidungen erfordern. Aber informieren Sie Ihr Team unbedingt immer über jeden wichtigen neuen Schritt, um den Vertrauensfluss aufrechtzuhalten. Sie denken, das ist eine Binsenweisheit? Nun, in meinen Coachings und Seminaren höre ich genau diese Begründung für klaftertief fallendes Vertrauen immer wieder … Auch durch das „Verlierspiel“ sinkt der Vertrauenspegel von Führungskräften oft ins Bodenlose.
Solche Führungskräfte haben es sich zur Methode gemacht, einen Fehler zu verschleiern oder durch clevere Rhetorik den Fehler gleich anderen zuzuschieben. Fehler der Führungskraft gehören der Führungskraft. Fehler des Mitarbeiters gehören indirekt auch der Führungskraft. Aber, und die Nichtbeachtung dieser Tatsache ist einer der massivsten Vertrauenskiller: Erfolge der Mitarbeiter gehören den Mitarbeitern. Nur schlechte Führungskräfte schmücken sich mit fremden Federn.
Welches sind für Sie insgesamt die schwersten Fehler in der Führung?
Wie bereits erwähnt, in erster Linie der Aufbau einer Misstrauenskultur durch mangelndes Vertrauen. Aber auch das Zulassen von Verzettelung und Zersplitterung von Arbeitskraft fällt in die Kategorie schwere Führungsfehler. Das ist sogar einer der Hauptfaktoren, die es unter Kontrolle zu bekommen gilt. Die Lösung dafür ist erstens der Aufbau von fluiden Systemen, die flexibel machen. Zweitens geht es immer wieder darum, endgültig den so gravierenden Unterschied zwischen wichtigen und dringenden Aufgaben zu erkennen. Das mag banal klingen, aber in meinen Führungskräfte-Coachings stelle ich immer wieder fest, dass genau dies einer der größten Fehler im Management ist. Es geht um eine Konzentration auf Weniges, um damit herausragende Ergebnisse zu erzielen. Viele Führungskräfte neigen auch noch immer dazu, einem eher narzisstischen Führungsverhalten anheimzufallen und übersehen, dass es darum geht, einen wertvollen Beitrag zum Ganzen zu leisten.
Für alle Führungskräfte gilt daher: Führungskraft zu sein ist ein Beruf, der wie alle anderen Berufe des ständigen Trainings bedarf. Im Prinzip braucht man nur wenige Tools, um eine wirksame Führungskraft zu sein. Meist werden jedoch heute noch Dinge trainiert, die der Steinzeit entsprechen und zahnlos geworden sind. Ich setze mit meinen Methoden daher immer dort an, wo andere Trainings enden!
Lieber Herr Gappmayer, herzlichen Dank für das interessante Interview. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.
Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO und HCC-Magazin.
Über Richard Gappmayer
Richard Gappmayer ist einer der renommiertesten Selbstführungs-Experten in Österreich. Der Vortragsredner, Autor, Führungskräfte-Coach, Wirtschaftstrainer und Organisationsberater war mehr als 20 Jahre im nationalen und internationalen Top-Management mit Schwerpunkt Verkauf, Vertrieb und Marketing tätig. Als hochrangige Führungskraft führte er zahlreiche Produkte zur Marktführerschaft. Trotz des Wissens um seine starke Agoraphobie bestieg er den Kilimandscharo und beschloss noch am Berg, sein Leben neu auszurichten. Er verließ seine hochrangige Managementposition und machte sich mit dem Zentrum für Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung selbständig. Heute unterstützt er Top-Führungskräfte und bringt diesen seine Ansätze zur Kunst der Führung nahe. In seinem aktuellen Buch „Der Kilimandscharo-Effekt – Steigen Sie auf und gehen Sie in Führung“ erfahren Leser, wie sie in Führung gehen und bleiben! Mehr Infos finden Sie auf dem AGITANO-Expertenprofil von Richard Gappmayer und unter www.richard-gappmayer.at.