Keine Macht ohne Verantwortung – Ihre persönliche Macht-Ethik
Gerade im Moment wird speziell in der Politik das Thema Macht einer besonderen Zerreißprobe unterworfen. Nichts könnte aktueller sein, als sich über die immense Verantwortung, die Macht mit sich bringt, intensiv Gedanken zu machen. Und je mehr Macht jemand ausübt, desto höher ist der Verantwortungsbogen, dem diese Person sich verpflichten sollte. Sich dieser Verantwortung immer im richtigen Ausmaß zu stellen, ist eine klare Gewissensentscheidung. Das gilt nicht nur für die Politik und die Wirtschaft, sondern für überhaupt alle Bereiche unseres Lebens. Wie erkennen wir das im jeweiligen Moment angebrachte und richtige Machtmuster? Wie weit müssen wir gehen in unseren machtvollen Entscheidungen, um sie entsprechend umzusetzen? Wie weit dürfen wir gehen, ohne diese Macht zu missbrauchen? Dazu ist es wichtig, für sich selbst im Vorfeld einige Begrifflichkeiten zu definieren.
Ethik, Moral und Sittlichkeit – Wie hängt das zusammen?
Unsere individuelle Macht-Ethik – also der Rahmen, innerhalb dessen wir uns machtvoll bewegen – wird bei jedem Menschen anders aussehen. Nämlich basierend auf den persönlichen Werten, sofern man diese für sich bestimmt hat. Bei der Festlegung der eigenen Macht-Ethik vermischen sich die Elemente Ethik, Moral und Sittlichkeit. Ethik zum Beispiel legt klar fest, welches Gut das Höchste sein sollte und bestimmt darauf basierend, welche Handlungen erlaubt, verboten oder verwerflich sind. Die Moral wiederum ist ein Katalog, den die Gesellschaft für sich aufstellt, um alle zu veranlassen, sich sozial verträglich zu benehmen. Dieser Moralkatalog umfasst die Regeln, die eine Familie, ein Unternehmen oder eine Gesellschaft einhalten sollte, um nicht ständig und überall anzuecken. Aber wie leicht kippen diese Regeln, wenn es darum geht, wichtige Grundbedürfnisse zu befriedigen? „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ drückte es Brecht schon so treffend aus. Dann haben wir noch die Komponente Sittlichkeit im Handeln. Ihr begegnen viele Menschen leider mit Ignoranz und leben ganz nach ihrem Gusto vor sich hin.
Zusammengefasst gilt: Moral ist ein durch die Gesellschaft bestimmter Verhaltenskodex. Ethik ist ein durch die Wissenschaft der Philosophie festgelegter Wert und die Sittlichkeit die persönliche Reflexion von Moral und Ethik, die durch jeden Menschen für sich festgelegt wird. Aber, woran legen wir das eigentlich fest?
Die eigene Macht-Ethik festlegen
Und genau bei dieser Aufgabe stehen die meisten Menschen schon ratlos an. Sie fragen sich, woran sie sich denn orientieren sollen? Viele Werte, die wir alle in der Kindheit lebten, gibt es gar nicht mehr. Woher also kommt der passende Rahmen betreffend Macht, und Moral und Ethik? Das ist eine diffizile Thematik, denn die gängigen politischen wie auch religiösen früheren Leitbilder verlieren stark an Bedeutung und sind keine moralischen Leuchttürme mehr. Was „gut“ oder „böse“ ist, verschwimmt weitgehend und lässt ein macht-technisches, moralisches und ethisches Vakuum zurück. Moralische Normen, auf die wir uns stützen konnten, brechen weg, und es steht kein einheitlicher Moralkatalog zur Verfügung, der den Weg weist. Wie können sich Menschen also im Dickicht dieser nicht offiziell festgelegten, aber notwendigen Macht-Ethik zurechtfinden?
Machtvoll Verantwortung übernehmen
Die Lösung ist im Prinzip sehr einfach. Es geht bei der persönlichen Macht-Ethik ganz eindeutig um die Eigenverantwortung, der wir alle uns stellen müssen. Jeder einzelne ist aufgerufen, sich seinen ganz individuellen Machtrahmen zu schaffen und dann danach zu leben. Dabei geht es darum, die Fähigkeit zu entwickeln, unsere moralisch-ethischen Entscheidungen betreffend den für uns richtigen und stimmigen Einsatz von Macht rasch an völlig unterschiedliche Situationen anzugleichen und jeweils richtig und passend zu entscheiden. Wir müssen uns darüber klar sein, dass entweder wir selber in einer Situation „gewinnen“ können und als der Machtvollere aus ihr herausgehen, oder eben unser Gegenüber. Das Dilemma dabei ist, dass wir auf der einen Seite ja nichts ins Hintertreffen geraten wollen, auf der anderen Seite aber unsere selber und klar gesetzten Machtgrenzen nicht überschreiten wollen.
Im Grunde wünschen wir uns doch nur eins: Mit gutem Gewissen aus der Situation gehen zu können. In dem Bewusstsein, machtvoll für uns selber eingetreten zu sein, aber doch die weiteren Beteiligten nicht dröhnend machtvoll niedergemäht zu haben. Das ist sehr oft eine Gratwanderung. Und zwar eine Gratwanderung, bei der wir in der Regel in der Situation nicht lange Zeit haben, uns zu entscheiden. In manchen brenzligen Momenten ist ein machtvolles Sprechen oder sogar Aufbegehren innerhalb von Sekundenbruchteilen erforderlich. Wer dann seine persönlichen Katalog an Macht-Ethik nicht jederzeit abrufbereit im Kopf hat, der wird zaudern, zu keiner oder zur falschen Entscheidung kommen und kann leicht in den dann unbarmherzigen Machtmühlen zermalmt werden. Das genaue Gegenteil sehen wir auch gerade in gewissen politischen, machtvollen Funktionen. Wenn der persönliche Macht-Ethik-Katalog sehr niedrige Standards hat oder sogar massiv Lücken aufweist und nur darauf ausgerichtet ist, eigene Positionen und Einstellungen ohne Rücksicht auf Verluste durchzupeitschen, dann stürzt die Welt ins Chaos.
Link zum Originalartikel auf www.agitano.com