„Aus der Coronakrise lernen wir, dass wir die Welt nur in dem Maße verstehen, wie wir selbst versuchen, sie zu ändern“, meint Unternehmensberater und ELEKTROPRAXIS-Autor Richard Gappmayer. In seinem Kommentar rät er dazu, sich gerade jetzt strategisch mit der Zukunft seines Unternehmens zu beschäftigen.
Hinter Ihnen liegt eine Zeit, in der Sie entscheiden mussten, wie Ihre Mitarbeiter in den nächsten Wochen und Monaten arbeiten werden. Vermutlich blieben Lieferungen aus, Aufträge wurden storniert und Ihre Finanzen gerieten in bedenkliche Schieflage. Natürlich hat die Ausbreitung des Corona-Virus auch meine beruflichen Pläne beeinflusst. Persönliche Präsenzarbeit mit Kunden ist im Moment nicht mehr möglich, auch wenn sich einiges – wenn auch nicht alles – über Video oder Telcos durchführen lässt.
Unsicherheit zur persönlichen Entwicklung nutzen
Was an uns allen am meisten nagt, ist wohl die Ungewissheit darüber, wie lange diese Situation noch anhalten wird. Aber genau im Umgang mit der Ungewissheit liegt auch eine der größten Chancen dieser Krise. Was macht diese Unsicherheit mit uns? Wie nehmen wir die Ungewissheit an, und vor allem, wie können wir sie zur eigenen Entwicklung nutzen?
Die aktuelle Corona-Situation zeigt klar den Innovationsbedarf unserer Gesellschaft, die nach wie vor auf dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft beruht. Wenn die digitale Revolution in Amerika ihren Ursprung hatte, dann fand sie in China glühende Verfechter. In Europa blicken wir heute angesichts der aktuellen Lage mit einer Mischung aus Bewunderung und Befremden in Richtung Osten. Die Geschwindigkeit, mit der China nach anfänglichem Vertuschen Maßnahmen ergriff, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen und binnen weniger Wochen neue Krankenhäuser errichtete, ist beeindruckend und erfährt zu Recht Anerkennung. Wenngleich die Berliner Charité eines der ersten Testkits weltweit für den Corona-Virus entwickelte, ist es doch China, das eine halbe Million chinesischer Tests in die USA und 20.000 in jedes afrikanische Land liefert und dadurch seinen Führungsanspruch in der Welt deutlich macht.
Neues Arbeiten und Wirtschaften als Ziel
Haben wir also nur die Wahl zwischen den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen Chinas und Amerikas oder gelingt es uns im Nachhall dieser Krise, unsere soziale Marktwirtschaft zu modernisieren, ein neues Arbeiten und Lernen, ein neues Wirtschaften zu entwickeln und Formen zivilgesellschaftlicher Lösungen zu finden, die es uns ermöglichen, mit der Geschwindigkeit der Digitalmächte USA und China standzuhalten? Und das alles, ohne unsere Werte von Demokratie und Freiheit in den Wind zu schreiben?
Die letzten Wochen haben machtvoll demonstriert, wie schwer sich Wirtschaft und Verwaltung mit modernen Arbeitsformen tun. Viele Unternehmen sind nicht in der Lage, Mitarbeiter*innen in Wissens- und Verwaltungstätigkeiten ins Home-Office zu entsenden, weil dazu die technischen Voraussetzungen fehlen. Und dort, wo es gelingt, herrscht vielerorts noch die alte Denke von achtstündigen Anwesenheitspflichten. Schulen, Ausbildungszentren und Universitäten erkennen erst jetzt, was Tele-Bildung zu tun vermag, aber sind nun gezwungen, Hausaufgaben per Email zu formulieren, weil sie in den letzten zwei Jahrzehnten Modernisierungsmaßnahmen der Bildung vernachlässigt haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass die jetzige Krise einen Innovationsschub mit sich bringen wird, wenn Manger*innen von Unternehmen und Leiter*innen von Bildungseinrichtungen erkennen, dass ihre Mitarbeiter*innen von zu Hause effizient arbeiten und Schüler*innen weiter lernen – oftmals mit besseren Ergebnissen als zuvor. Ich halte es für unabdingbar, dass die jetzige wirtschaftliche Krise in einigen Industrien zu revolutionären Umbrüchen führen muss.
Hoffnung auf innovatives Denken und Tun
Was mir jedoch Hoffnung macht, ist die hohe Bereitschaft in der Bevölkerung, durch soziale Innovation neue Formen zivilgesellschaftlicher Lösungen zu finden. An vielen Ecken und Enden sprießen Initiativen, die sich Plattformen und digitale Technologien zu eigen machen, um Hilfe und Unterstützung zu vermitteln. So wie etwa für Landwirte, denen die Erntehelfer bei der Ernte fehlen, ältere und damit gefährdete Menschen, die beim Einkauf unterstützt werden, Eltern und Lehrer die betreffend Bildungs- und Betreuungsangebote entlasten helfen. Das Internet hilft uns auf diese Weise, in Zeiten sozialer Isolation, virtuell und dadurch auch real enger zusammenzurücken. Weil wir plötzlich überzeugt sind, dass durch solche Initiativen neue Formen von Entscheidungsfindung und Handlungsfähigkeit zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erprobt werden können und sich letztendlich durchsetzen werden.
Persönlich lerne ich aus dieser Krise auch, dass wir die Welt nur in dem Maße verstehen können, wie wir selbst versuchen, sie zu verändern. Nach genau dieser Maxime sollten wir jetzt auch agieren. Ich möchte Sie daher ermutigen, sich gerade in der aktuellen Situation intensiv und strategisch mit der Zukunft auseinanderzusetzen und sich zu überlegen, was Sie als nächstes tun werden, um Ihr Unternehmen voranzubringen, wenn wieder annähernd Normalität eingekehrt ist und die schlimmsten Auswirkungen dieser Pandemie hinter uns liegen.
Bleiben Sie gesund!
Ihr
Richard Gappmayer
Originalartikel auf >> www.elektropraxis.at