„In jedem von uns steckt Macht. Wir müssen sie einfach nur gezielt und richtig einsetzen,“ so Richard Gappmayer, Führungs- und Selbstführungsexperte. Zum Thema „Macht“ hat der Vortragsredner, Führungskräfte-Coach und Wirtschaftstrainer ein Buch herausgebracht – mit dem Titel „Auch du bist mächtig – Wie du deine Gestaltungsmacht entdeckst und eigene Interessen durchsetzt“. Oliver Foitzik hat sich mit Richard Gappmayer in einem zweiteiligen Interview zu diesem Thema ausgetauscht. Im heutigen Interview erfahren Sie, auf welchen Bühnen der Macht wir alle unterwegs sind und was wir tun können, um Machtmissbrauch zu verhindern. Zudem gibt er fünf sehr gute Tipps für ein positiv machtvolles Leben!
Macht leben – Interview (Teil II) mit Richard Gappmayer
Richard Gappmayer hat sich intensiv mit dem oft sehr kontrover diskutierten Thema „Macht“ beschäftigt und ein sehr interessantes Buch herausgebracht.
In Ihrem Buch beschreiben Sie die verschiedenen „Bühnen der Macht“. Was ist damit gemeint?
Die Bühnen der Macht sind ganz einfach die verschiedenen Lebensbereiche, in denen wir uns in diversen Rollen wiederfinden. Wir sind abwechselnd Eltern, Kinder, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Kunden, Verkäufer und noch einiges mehr. Alle diese Rollen füllen wir sukzessive zu verschiedenen Momenten immer wieder aus. Wir schlüpfen je nach Lebenssituation von einer dieser Rollen in die nächste. Das „Theaterstück“ ist unser Leben, und wir spielen je nach Aufgabe immer einen anderen Macht-Part. Oder spielen ihn eben nicht, wenn wir uns – im Moment noch – für die Machtlosigkeit entschieden haben.
Da gibt es z. B. die Bühne, die ich „Home, Sweet Home“ bezeichne. Damit ist unser Zuhause gemeint, das Familienleben mit seinen diversen Facetten der Macht zwischen (Ehe)Partnern, Kindern, Teenagern, die ja ein gewisses Explosionspotential haben, wenn sie nicht sorgfältig und mit intelligenter Macht-Steuerung gelebt werden. Dann haben wir es mit der Bühne der globalen Marktwirtschaft zu tun, in der wir alle in unserem Berufsleben eine gewisse Rolle spielen. An unserem Arbeitsplatz sind die Macht-Dynamiken besonders ausgeprägt spürbar. Wer hat nicht schon einmal unter tyrannisch-machtvollen Vorgesetzten oder Kollegen gelitten? Auf dieser Bühne ist z. B. nur erfolgreich, wer sich ausreichend Machtkompetenz angeeignet hat. Es gibt viele weitere Bühnen der Macht, auf die ich im Buch näher eingehe…
Was können bzw. müssen Menschen in Unternehmen wie im privaten Bereich tun, damit ihnen die Tatsache ihrer eigenen, eventuell neu entdeckten Macht nicht zu Kopfe steigt und sie plötzlich Machtmissbrauch betreiben? Dieser Grat ist doch sicher sehr schmal?
Ja, das ist ein extrem enges Feld. Es gibt sie natürlich, die zwei Seiten der Macht. Wie Licht und Schatten. Und dieser Schatten holt uns sehr schnell ein. Ich habe es in meiner beruflichen Praxis immer wieder erlebt, dass neu beförderte Kollegen plötzlich in einen wahren Machtrausch verfielen. Deswegen ist es so wichtig, sich die echte und wahre Machtkompetenz von Grund auf anzueignen. Das heißt, dass wir unsere eigenen ethischen Kriterien festlegen sollten, wie weit wir persönlich im Rahmen eines machtvollen Verhaltens gehen wollen. Wir uns quasi unseren eigenen Wertekanon determinieren, nach dem wir in jeder Situation bewusst entscheiden können. Tatsache ist: Wie ich in diesem Buch ja klar darlege, jeder ist mächtig, auch wenn sich viele dieser Tatsachen nicht bewusst sind. Und wer Macht hat, kann diese auch missbrauchen. Jeder, der Macht ausübt, sollte sich klar darüber sein, dass er seine Handlungen immer rechtfertigen muss. Und zwar auf der einen Seite vor denen, die ihm die Macht verliehen haben und auf der anderen Seite vor seinem Gewissen! Dies in Balance zu halten, dabei hilft der persönliche Wertekanon, den wir immer wieder konsultieren sollten!
Ist es für Mitarbeiter in Unternehmen überhaupt möglich, sich vor einem aktiven Machtmissbrauch durch Vorgesetzte zu schützen oder sind sie diesen machtlos ausgeliefert?
Niemand ist völlig machtlos! Genau das ist es, worauf ich mit diesem Buch hinaus will. Wir sind nicht machtlos, manche von uns fühlen sich bloß so. Viele Menschen – vor allem in Unternehmen – denken: „Die da oben, die Mächtigen, gegen die komme ich doch nicht an“ und versuchen nicht einmal, aus ihrer Ohnmacht herauszukommen und Lösungen zu finden. Klar, es gibt Vorgesetzte, die eklatanten Machtmissbrauch begehen, das kommt immer wieder vor. Gerade deswegen ist es so wichtig, sich mit der Macht und ihren Dynamiken zu beschäftigen und seinen eigenen Stil im Umgang mit der Macht, die man zu spüren kommt, zu entwickeln. Ein erster wichtiger Schritt ist es dabei schon, sich ganz bewusst zu sagen: „Ich bin mächtig“. Mit ein wenig Übung kann es ein jeder schaffen, die in jedem Moment zur Verfügung stehenden Machtmittel in der richtigen Dosis einzusetzen und doch dabei die eigenen Werte nicht zu verraten. Diese Machtmittel stehen jedem von uns zur Verfügung, wir müssen sie nur sehen und dann in nächster Konsequenz den Mut haben, sie auch einzusetzen!
Was ist für Sie die optimale Form der Machtausübung?
Ich habe im Laufe der Zeit drei mögliche Zuordnungen betreffend die Macht definiert. Ich unterscheide zwischen den Machtmenschen, den Machtverweigerern und den Machtvirtuosen. Ein Machiavellist oder totaler Machtmensch zu sein, ist kaum die optimale Lebensform, obwohl es diese Ausprägung leider noch in hohen Mengen gibt. Sich ohnmächtig und klein auf dem Boden zu winden und der Macht vollkommen zu entsagen, ist auch kein wirklich gesunder Lebensstil. Die für mich einzig mögliche und gleichzeitig optimale Form, Macht zu leben ist es, ein Machtvirtuose zu werden. Was zeichnet diese aus? Machtvirtuosen sind wirkungsvolle Gestalter von Macht und haben ein realistisches Verhältnis zu ihr. Sie sehen Macht als ein adäquates Mittel zur Lösung von Interessenskonflikten und beherrschen die friedlichen Formen der Macht, wie Verhandlung oder Informationsfluss. Gerade weil sie Virtuosen sind, schaffen sie es, tatsächliche Kampfsituationen sehr gering zu halten. Sie lehnen den Kampf prinzipiell ab. Aber sie wissen auch, dass es nicht immer möglich ist, ihn ganz zu vermeiden. Wenn es erforderlich ist, verfügen sie durchaus über ein Repertoire an Kampftechniken und setzen diese virtuos ein. Sie haben keine Skrupel, Macht zu leben, wenn es die Situation erfordert. Aber, und das unterscheidet sie vom Machtmenschen, niemals aus ihrem Ego heraus, sondern immer für die Sache, für den positiven Abschluss einer Verhandlung oder einer Causa. Sie sind immer diplomatisch und konziliant, rhetorisch wertschätzend in ihren Ausführungen. Umso mehr beeindruckt es ihre Verhandlungspartner, wenn dieser Macht-Diplomat dann einmal zu kämpfen beginnt. Machtvirtuose zu sein bedeutet auch, immer so zu agieren, um den Gesprächspartner nicht bloßzustellen. Machtvirtuosen hinterlassen niemals total verbrannte Erde, wie das nach einer Konfrontation mit einem Machiavellisten meist der Fall ist, sondern agieren so, dass nachhaltiger Friede möglich ist. Diesen feinen Spagat zu schaffen und zu halten, ist die wahre Expertise von Machtvirtuosen. Es ist nicht ganz einfach, dahinzukommen, aber mit viel Übung und vor allem dem bewussten Nachdenken über die Macht, die wir haben, können wir alle – wenn wir dies wirklich wollen – Machtvirtuosen sein.
Was sind Ihre 5 ultimativen Tipps für ein Leben der positiv machtvollen Art?
Gerne gebe ich Ihnen fünf Tipps mit auf den Weg, wie man Macht richtig lebt.
- Werden Sie sich als erstes bewusst, dass Sie von Grund auf mächtig sind!
- Verbannen Sie eventuelle Tabu-Szenarien wie „Macht ist schlecht – ich will sie gar nicht“ ein für allemal aus Ihrem Gedankengut. Macht ist immer nur so gut oder so schlecht, wie Sie sie ausleben. Es ist jederzeit Ihre eigene Wahl!
- Erlauben Sie sich ganz bewusst, Macht zu leben. Ermächtigen Sie sich selber, von heute an ein machtbewusster Mensch zu sein.
- Arbeiten Sie an Ihrer Machtkompetenz und üben Sie, üben Sie, üben Sie. Wenn jemand z. B. an der Supermarktkasse sich an Ihnen vorbeidrängen will, lassen Sie es nicht zu, und spielen Sie Ihre Machtkompetenz souverän aus. Wenn Sie erst einmal näher hinsehen, werden Sie feststellen, wie viele „Machtkämpfe“ den ganzen Tag über stattfinden, von denen Sie sicher einige verlieren, ohne es zu merken. Es geht hier gar nicht darum, immer der Erste zu sein oder rücksichtslos zu agieren, sondern darum, unsere eigene Gestaltungsmacht in jedem Moment zu erkennen und die eigenen Interessen durchzusetzen.
- Entscheiden Sie sich für ein Leben als aktiver Gestalter der Macht, und werden Sie zum Machtvirtuosen!
Möge die Macht mit Ihnen sein!
Link zum Originalartikel auf agitano.com