Aus den vorigen Beiträgen sind Sie informiert über die Charakteristika der machtarmen und der machtvollen Menschen und wie diese ticken und im Leben agieren. Wie auch immer wir alle gepolt sind, ob wir nun machtvoll oder eher ohnmächtig durchs Leben gehen, es stellt sich noch eine andere, sehr wichtige Frage. Wo üben wir unsere Macht aus beziehungsweise wo setzen wir uns der Macht aus, die andere über uns haben, falls wir uns für ein machtarmes Dasein entschieden haben? Auf welchen Bühnen findet die Macht denn eigentlich statt?
Auf allen Bühnen tobt die Macht
Sie wundern sich vielleicht, warum ich hier von Bühnen spreche. Sie meinen eventuell, unser Leben ist ja kein Schauspiel und es gäbe gar keine Bühnen. Ich sehe das nicht so. Wir spielen alle – bewusst oder unbewusst – immer eine Rolle, je nachdem, in welchem Umfeld wir uns gerade befinden. Wir sind auf jeden Fall alle Privatpersonen und vielleicht als Mutter oder Vater, (Ehe)Partner, Kinder oder Freunde unterwegs. Im beruflichen Bereich nehmen wir entweder die Rolle eines Mitarbeiters oder des Chefs, einer Führungskraft ein. Im politischen Bereich sind wir zum Beispiel Wähler oder Kandidat für ein Amt. Wir haben also definitiv verschiedene Rollen inne. Und je nach der Rolle, in der wir uns gerade befinden, verschieben sich auch die Machtverhältnisse. Es macht also durchaus Sinn, von den diversen Bühnen der Macht zu sprechen und sich diese näher anzusehen.
Denn eines weiß ich ganz sicher: Auf allen diesen Bühnen tobt die Macht. Die Frage ist nur, wer fühlt sich wozu genau ermächtigt? Wer nimmt sich die Macht auf welcher Bühne? Oder umgekehrt, wer beugt sich auf welcher Bühne der Machtausübung durch andere?
Macht-Bühne Familienleben
Damit ist unser Zuhause gemeint. In früheren Zeiten war diese Bühne oft der Schauplatz für Privat- und Arbeitsleben. Es ist spannend zu beobachten, dass heute durch das vermehrte Arbeiten vom Homeoffice aus genau diese Konstellation wieder an Bedeutung gewinnt.
Viele Menschen arbeiten „von zuhause aus“, aber die Protagonisten auf den Bühnen und die Energien dahinter haben sich im Vergleich zu früher vollständig gewandelt. Das früher so wichtige Gefüge von traditioneller Ehe, Zusammenleben von Alt und Jung, vor allem das Konstrukt der gegenseitigen Abhängigkeit in einem Haushaltsverband, wird in dieser Form nicht mehr bespielt. Menschen leben zusammen, sehr oft nicht mehr durch einen Trauschein offiziell gebunden, und fühlen sich dadurch grundsätzlich freier. Das Wissen, jederzeit gehen zu können ist sicher ein Machtfaktor Nummer eins auf dieser Bühne. Und derjenige, der sich mächtiger wähnt, der sich diese Macht einfach nimmt und sie auslebt, wird immer im Vorteil sein. Machtkämpfe auf der Heimatbühne sind weit verbreitet, sehr oft bekommt sie die Öffentlichkeit gar nicht mit. Erst dann, wenn Machtkämpfe zwischen Mann und Frau oder anderen Familienmitgliedern gewaltvoll eskalieren und wir in den Medien darüber lesen, entsteht Aufmerksamkeit.
Je nach Funktion und Rolle wird auch die Macht der Gefühle auf dieser Bühne eingesetzt. Es hagelt Schuldzuweisungen „Immer machst Du dieses und jenes, und ich … “, Erpressungsversuche emotionaler Natur „Wenn Du nicht, dann … “. Es finden regelmäßig bewusste oder unbewusste Bevorzugungen einzelner Familienmitglieder statt. Liebesentzug ist als Druckmittel äußerst beliebt, und auch Unterdrückung dient als Machtinstrument. Diese Dynamiken entstehen über die Jahre, zwischen den Ehepartnern oder Partnern betreffend ihre Kinder und zwischen den Geschwistern. Von den ganz besonderen Konfliktpotentialen der Patchwork-Familien ganz zu schweigen. Die Möglichkeiten, hier Macht auszuüben, sind unendlich. Die „Mitspieler“, also die Familienmitglieder, sind sich oft dieser heiklen Verstrickungen gar nicht bewusst. Es ist wie in einem immer weiter ausufernden Reigen, in dem alle mit der Zeit ihre Rollen spielen und diesem machtvollen Kreislauf kaum entkommen. Wer als Kind in seinem speziellen Familienkonstrukt in eine gewisse machtvolle oder machtlose Rolle hineingewachsen ist, wird das entsprechende Muster später, als Erwachsener, mit hoher Wahrscheinlichkeit übernehmen. Es ist wichtig für jeden Menschen, sich dies bewusst zu machen, um solchen Entwicklungen im eigenen Leben gegensteuern zu können.
Macht-Bühne Arbeitsplatz
Die Bühne der globalen Marktwirtschaft – unsere Arbeit – wird knallhart vom Leistungsprinzip getrieben. Das machtvolle Leistungsmantra lautet: „Höher, weiter, schneller“. Das ist es, was in den Teppichetagen der Unternehmen von morgens bis abends gebetet wird. Gefühle, Fürsorge, Geborgenheit, Ehrlichkeit haben hier kaum Platz mehr, wie das auf dem Bühnenplatz „Zuhause“ ja noch der Fall ist. Alle Unternehmen sind ständig dem globalen Wettbewerb und der steigenden Konkurrenz ausgesetzt. Diesen Herausforderungen muss sich jeder stellen. Auf dieser Bühne kommen nur die besten Mitspieler weiter. Im Gegensatz zur Bühne „Zuhause ist es hier für uns entscheidend, unseren eigenen Nutzen zu optimieren und dadurch selber gut dazustehen. Auf dieser Bühne schadet es auf keinen Fall, einen gesunden Egoismus zu leben, Risikobereitschaft einzubringen und einen Hang zur Hauptrolle auf dieser Bühne anzustreben. Auf dieser Bühne gilt wie kaum auf einer anderen: Wer sich die Macht nimmt, ist mächtig! Wenn wir auf der Bühne Arbeitsplatz dauerhaft Erfolg haben wollen, brauchen wir hohes Wissen, gute Kontakte und Seilschaften, die uns unterstützen. Auch die Macht der Herkunft spielt hier eine große Rolle. Wer das Geld hat, hat nun einmal meist auch die Macht.
Auf dieser Bühne steht die Befriedigung der eigenen materiellen Bedürfnisse im Vordergrund, während es auf der Bühne des Familienlebens die Befriedigung der Grundbedürfnisse war und ist. Wer das Machtspiel auf der Bühne Arbeitsplatz geschickt spielt, wird Karriere machen und Wohlstand erreichen. Um im Konkurrenzkampf zu überleben, gilt es auch, ständig neue Fähigkeiten zu entwickeln. Wie zum Beispiel Verhandlungsgeschick, dem Erkennen der Nachfrage oder der Darstellung des Angebotes. Diese Entwicklung wird immer rasanter und brutaler, denn der globale Markt kennt hier keine Grenzen mehr beim Austausch von Produkten oder Dienstleistungen. Diese Reise rund um unser täglich Brot wird ständig schneller, wirbelnder, rücksichtsloser und sehr viel anstrengender. Die Bühne Arbeitsplatz ist definitiv kein erholsamer Ort, wer hier mitkommen und am Ball bleiben will, der muss sich anstrengen.
Die Spielregeln der Macht auf allen Bühnen kennen
Es gibt natürlich noch zahlreiche weitere Bühnen, auf denen Machtausübung stattfindet. Diese beschreibe ich im Detail in meinem Buch. Wichtig ist mir noch, zu erwähnen, dass die bisher erwähnten – und überhaupt alle Bühnen der Macht – einem ständigen Wandel unterliegen. Und wer diesen Wandel nicht flexibel mitmachen kann, wird rasch ins Hintertreffen geraten. Durch das ständige Wachstum der Menschen und die Weiterentwicklung der Gesellschaft und der neuen Möglichkeiten durch die Technik entwickelten sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer mehr und neue Bühnen. Die Aufgaben wuchsen, und um diese zu bewältigen, schufen die Menschen wieder neue Bühnen. Dementsprechend muss auch der Einsatz von Macht ständig neu umgestaltet werden.
Auf welcher Bühne wir auch unterwegs sind, machtvolle Menschen kennen die Spielregeln der jeweiligen Bühnen und wenden sie an, meistens zum Vorteil für sich selber. In gewissen Momenten werden die wahren machtvollen Menschen diese Spielregeln immer zu ihren eigenen Gunsten interpretieren, um ihre Interessen durchzusetzen. Das hat nichts mit Rücksichtslosigkeit zu tun, das nennt sich aktive Gestaltungsmacht ausüben. Solange es nicht ausufert und in Richtung Machtmissbrauch geht, ist diese Art der Gestaltungsmacht für jeden Menschen nicht nur legitim, sondern für ein auf allen Bühnen der Macht erfolgreiches Leben mehr als erforderlich!
Im nächsten Beitrag geht es dann um die Dynamiken der Macht in Unternehmen von heute. Denn wer diese nicht kennt, wird kläglich scheitern.
Link zum Originalartikel auf www.agitano.com