Richard Gappmayer setzt sich in seinem neuen Buch „Auch du bist mächtig – Wie du deine Gestaltungsmacht entdeckst und eigene Interessen durchsetzt“ mit dem Thema Macht auseinander. Er sagt: „In jedem von uns steckt Macht. Es geht jedoch darum, diese gezielt für sich einzusetzen, um die eigenen Ziele zu erreichen.“ Oliver Foitzik hat mit dem Führungs- und Selbstführungsexperten ein zweiteiliges Interview geführt. Dabei kamen spannende und interessante Einblicke zum Thema hoch.

Wir haben Macht, nur müssen wir diese auch aktiv nutzen! – Interview mit Richard Gappmayer

Richard Gappmayer hat sich intensiv mit dem Thema Macht auseinandergesetzt und darüber ein Buch verfasst.

Herr Gappmayer, eben ist Ihr Buch „Auch du bist mächtig – Wie Du Deine Gestaltungsmacht entdeckst und eigene Interessen durchsetzt“ erschienen. Was hat Sie als Wirtschaftscoach bewogen, ausgerechnet betreffend das Thema Macht „zur Feder“ zu greifen?

Ich machte mir früher – wie wahrscheinlich die meisten Menschen – keinerlei Gedanken zum Thema Macht. Ich kam damals gar nicht auf die Idee, selbst ebenfalls mächtig zu sein. Als ich nach langjähriger beruflicher Praxis in den Führungsetagen von Unternehmen angekommen war, wurde das Thema Macht natürlich alltägliche Praxis. Macht ist in Unternehmen omnipräsent, man entkommt ihr nicht. Ich sah mich jedoch noch immer als relativ machtlos. Zu meinem Erstaunen erlebte mich meine direkte Umgebung jedoch als machtvoll. Viele sahen meinen starken Ehrgeiz, Ziele zu erreichen, als skrupelloses Machtstreben an, was keinesfalls den Tatsachen entsprach. Ich wollte einfach nur die besten Ergebnisse für das Unternehmen herausholen.

Damals begann ich, mich mit dem Thema Macht intensiver zu beschäftigen. So habe ich in meinen Jahren als Manager in großen und globalen Unternehmen meinen persönlichen Zugang zur Macht entwickelt und ihren Einsatz für mich kultiviert. Und stellte fest, dass wir nur dann unsere Ziele – beruflich wie privat erreichen können – wenn wir sie machtvoll durchsetzen und nicht zu früh aufgeben. Um dies aber in der richtigen und angemessenen Dosis zu tun, brauchen wir eine sehr wichtige Eigenschaft: Eine entsprechende Machtkompetenz und die dazu passenden Machtwerkzeuge. Dies wird jedoch nirgends gelehrt, in keinem Führungsseminar, in keiner Weiterbildung ist mir der Inhalt „Machtkompetenz aufbauen“ jemals untergekommen. Das Thema Macht, und vor allem der Kontext, dass jeder mächtig ist, stellte bisher eine Art Informations-Vakuum dar, das ich mit diesem Buch füllen wollte.

Mir ist es dabei ganz besonders wichtig, meine eigenen Werte, also die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, niemals zu verraten. Seine eigene Gestaltungsmacht einsetzen und dabei innerhalb des sich selbst gesetzten Wertekanons agieren, das ist möglich. Denn für mich sind eigene Werte das Fundament des Lebens.

Sind wir wirklich alle mächtig, wie es der Titel Ihres Buches impliziert?

Ja, definitiv. Jeder einzelne von uns ist mächtig. Sehr mächtig sogar. Wir haben immer ganz genau so viel Macht, wie wir uns selber zugestehen! Wir verfügen über enorm viel Gestaltungsmacht in unserem Leben. Die meisten Menschen sind sich dieser uns allen angeborenen Macht nur leider nicht bewusst und wenden sie im Laufe des Leben nicht ausreichend aktiv an. Viele haben sogar Angst vor der Macht. Sie fürchten sich davor, machtvoller aufzutreten, weil sie meinen, dann nicht mehr geliebt oder geschätzt zu werden. Oder weil sie glauben, dass Machtausübung ihnen generell nicht zusteht. Doch, sie steht uns allen zu, wir sind es uns selber schuldig, machtvoll zu agieren, um unsere Ziele zu erreichen. Egal, in welcher Position wir im Leben sind. Ob Hausfrau, Mutter, Vater – die Familie alleine stellt ein spannendes Minenfeld an Machtthemen dar – Schaffner im Zug, Angestellte, Beamte, Friseure, Schuster, Verkäufer, Manager – wir alle sind auf unsere Weise jeden einzelnen Moment in unserem Leben mächtig. Dieses Bewusstsein für die allgegenwärtige Macht, die wir alle haben, zu erwecken, das war mein innerer Antrieb, dieses Buch zu schreiben.

Warum ist es so wichtig, dass Menschen sich mit dem Thema Macht auseinandersetzen?

Es ist deswegen so wichtig, weil eine machtfreie Welt eine Illusion ist! Die Macht ist da, und wer sich ihr verweigert, bleibt mit Sicherheit über! Es gilt also für jeden Menschen, die eigene Gestaltungsmacht geschickt auszubauen. Wenn ich meine gesteckten Ziele erreichen will, ohne dabei aber meine Werte zu verraten, dann muss ich mich um die entsprechenden Werkzeuge kümmern, die mich in eine Lage versetzen, meine eigenen Interessen kraftvoll, aber doch nach ethischen Prinzipien durchzusetzen. Wer bewusst darauf verzichtet, die eigene Gestaltungsmacht auszubauen, wird immer weniger private wie professionelle Ziele erreichen und dessen berufliche Karriere wird stagnieren. Wer sich dieser wichtigen Kompetenz verweigert, kann nichts Neues hinzulernen, vor allem keine strategischen Machtfähigkeiten entwickeln und wird somit auf der Verliererstraße landen.

Sich an der Macht nicht zu beteiligen, ist schlussendlich immer ein Selbstbetrug. Egal was Sie tun, privat oder beruflich – Macht ist stets präsent. Es ist Ihre freie Entscheidung, ob Sie sie in Form von aktiver Gestaltungsmacht für sich nutzen wollen oder ob Sie sich von der ohnehin immer vorhandenen Macht der anderen überrollen lassen. Uns allen sollte langsam klar werden, wenn wir Ziele erreichen möchten, müssen wir die Spielregeln der Macht erstens durchschauen und zweitens Machtinstrumente kennen und nutzen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Manche wollen ja vielleicht gar nicht machtvoll agieren, und ziehen die unter Umständen bequemere „Ohnmacht“ ihrer Position der vollen Handlungsfähigkeit vor. Was sind die Konsequenzen, wenn sich jemand entscheidet, mehr oder weniger machtarm oder sogar vollkommen machtlos durchs Leben gehen zu wollen?

Waren Sie schon einmal ohnmächtig? Falls Sie dieses Gefühl kurz vor dem Verlieren des Bewusstseins kennen – es ist kein schönes, oder? Wenn Sie ohnmächtig sind, sind Sie handlungsunfähig. Kurz gesagt: machtlos. Die Ohnmacht ist ein äußerst spannender Aspekt der Macht! Und sicher keine Lösung, die im Leben irgendwohin führt. Wir sind niemals vollkommen ohnmächtig. Auch nicht als Kinder, selbst da können wir durch Brüllen und Toben und später als Jugendliche durch Rebellion eine gewisse Macht ausüben. Viele glauben jedoch, sie wären total ohnmächtig und verharren in dieser manchmal durchaus bequemen Schutzhaltung. Dies ist sicher die schlechteste aller Optionen, weil wir unsere Gestaltungsfreiheit damit vollkommen aufgeben. Wir sind dann nicht nur ohnmächtig, wir sind vollkommen machtlos. Entscheidungen werden über unseren Kopf getroffen, wir haben eventuellen „Angriffen“ anderer im Zustand der Ohnmacht nichts entgegenzusetzen, weil wir eben über keinerlei Machtkompetenz verfügen, da wir uns geweigert haben, diese zu erlernen. Dabei sollten wir uns immer eines vor Augen führen: Wir sind weder vollkommen ohnmächtig noch überragend allmächtig. Aber wir sind immer handlungsfähig! In unserem ganz persönlichen Mikrokosmos haben wir jederzeit die Möglichkeiten, frei zu handeln.

Weshalb ist die Thematik Macht bei vielen Menschen noch immer als starkes Tabu besetzt? Macht zu haben, machtvoll zu sein, kaum jemand würde sich das als Lebens- und Karriereziel zu formulieren trauen. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Es stimmt, bei der Erwähnung von Macht zucken viele Menschen unangenehm berührt zusammen, sie winden sich und machen kommunikative Fluchtversuche. Als sei Macht etwas Unanständiges, nicht Gesellschaftsfähiges. Der Begriff wird hierzulande eher mit Missbrauch und sogar Gewalt in Verbindung gebracht und ist generell negativ besetzt. Genau deswegen spielen viele Menschen ihr Machtpotenzial drastisch herunter. Wirklich machtvolle Menschen zeigen ihre Macht in der heutigen Gesellschaft selten in voller Größe. Das kommt teilweise auch aus der jüngeren Geschichte.

Dass Macht sehr lange, bis fast in die Mitte der Neunzigerjahre, ein Tabuthema war, hat in Österreich und Deutschland damit zu tun, dass die jungen Staaten in Mitteleuropa nach dem ersten Weltkrieg einen fatalen Rückfall ihrer Demokratisierungsprozesse erlitten. Speziell Österreich und Deutschland hatten große Probleme bei der Bewältigung staatspolitischer und wirtschaftlicher Probleme. Die Folge war, dass sich kein stabiles Machtverhältnis aufbauen konnte und es dann leichtes Spiel für Adolf Hitler und seine Demagogen war, die Untauglichkeit der Demokratie anzuprangern und die Schreckensherrschaft des Dritten Reiches zu errichten. In diesem Regime kam es, wie wir alle wissen, zu einem Machtmissbrauch nie da gewesenen Ausmaßes. Menschen wurden für die Verwirklichung der Ideologie getäuscht und benutzt. Erst durch den Sieg der Alliierten wurde diese Umklammerung gelöst – die Macht konnte in Europa und der Welt neu verteilt werden.

Dieser gigantische Machtmissbrauch hat Europa in einen Schockzustand versetzt und das Thema Macht auf Jahrzehnte aus den Köpfen der Menschen verbannt. Somit entstand ein Umfeld, in dem sich ein Schleier der Tabuisierung über das Thema Macht breiten konnte. Es ist natürlich wichtig, sich immer bewusst zu sein, dass Macht auch große Verantwortung mit sich bringt und mit großem Respekt betrachtet werden muss. Aber sie gänzlich zu tabuisieren ist sicher nicht der Weg.

Sehen Sie einen Unterschied im Machtgebaren zwischen Männern und Frauen?

Ja, ich sehe hier einen eklatanten Unterschied. Männer gehen mit der Macht immer noch viel selbstverständlicher um als Frauen. Männer haben ihre eigenen Machtmittel wie Statussymbole und diverses männliche Kraftgetue, die sie einsetzen, wenn sie um ihre Erfolge kämpfen müssen. Für viele Frauen kommt das meist nicht in Frage, ihnen ist die inhaltliche Kompetenz viel wichtiger, dadurch wirken sie manches Mal machtlos, obwohl sie es nicht sind. Die meisten Männer haben auf dem Gebiet des Kampfes generell schon von Kindheit an mehr Übung und gehen im Business-Kampf um Abschlüsse viel routinierter damit um. Das beginnt schon damit, dass sie als kleine Jungen immer das diverse Kampfspielzeug wie Pfeil und Bogen, Pistolen oder Degen erhalten. Mädchen aber die Puppen und Puppenhäuser geschenkt bekommen. Das war sicher in den vergangenen Generationen, die jetzt erwachsen sind, der Fall und ist deswegen tief im Verhalten beider Geschlechter eingeritzt. Frauen müssen sich dadurch oft sehr mühsam aneignen, was Männer schon im kleinen Finger haben, besonders, was das richtige Ausmaß an Macht betrifft.

Viele Frauen haben mit dem Thema Macht generell Probleme und lehnen Machtspiele von vornherein ab. Ich habe in der Businesswelt sehr oft gesehen, dass Frauen nicht wegen ihrer mangelnden Kompetenz scheiterten, sondern an ihrer Art zu kämpfen. Das beginnt schon im Arbeitsalltag, wo sie Konflikten eher aus dem Weg gehen wollen, um ja ein harmonisches Klima aufrechtzuerhalten.

Diese meine Erfahrungen zu dem Machtverhalten von Frauen stellen bei weitem keine Bewertung dar, sondern basieren auf meinen persönlichen langjährigen Beobachtungen in internationalen Positionen, nicht nur im Verkauf, sondern auch in zahlreichen anderen Führungspositionen. Viele – auch sehr erfolgreiche – Frauen haben mir in Gesprächen anvertraut, dass sie mit der aktiven Handhabung von Macht immer noch gewisse Probleme hätten. Es scheint wirklich beim Erlegen der Säbelzahntiger passiert zu sein, dass die Herren der Schöpfung vom Machtgen angesprungen wurden, das sie nie mehr verließ. Bedauerlicherweise für die Damen hat sich dieses Gen beim hinlänglich bekannten Beerenpflücken wohl nicht sehen lassen. Ich kenne einige weibliche Führungskräfte (auch im Verkauf), die es verstanden haben, dass auch sie machtvoll in ihrem Verhalten werden müssen, um wirklich erfolgreich zu sein. Sie haben die zu ihnen passenden Machtinstrumente mutig und entschlossen in ihr „Waffenarsenal“ aufgenommen und hantieren so geschickt damit, dass es eine Freude ist! Frauen dürfen diese ihnen tief innewohnenden machtlosen Verhaltensmuster nicht vergessen und sollten an ihrer Beseitigung arbeiten.

Egal welchem Geschlecht Sie angehören: Es geht in der Zukunft immer um mehr Verständnis für die Probleme, die ein häufiger Wechsel zwischen Kampf und Kooperation für Frauen und Männer gleichermaßen hervorruft. Die Frauen und Männer, die diesen Spagat am besten bewältigen, werden auch ganz oben mitspielen.

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